Drama als Ausdruck von Leidenschaft

Drama, Baby

Neulich rief mich eine Freundin an. Sie hatte mit ihrem Mann gestritten und war sehr aufgewühlt.

Es muss wirklich ziemlich schrecklich gewesen sein. Vor meinem Auge lief ein Film ab und Sie kennen solche Szenen vielleicht auch: Alles beginnt mit einer Kleinigkeit, an die sich hinterher keiner mehr erinnern kann. Der Ton wird schärfer, lauter, ein Wort ergibt das andere. Tränen fließen. Es wird mit Trennung gedroht. Im Fall meiner Freundin kommen noch ein aus dem Fenster geworfener Koffer (sie wohnt im dritten Stock!!!) und ein an den Kopf geknalltes Handy hinzu.

Dieser Streit war nicht der erste dieser Art. Es wird auch nicht der letzte gewesen sein. Und da auch ich den Hang zur Drama-Queen habe, fragten wir uns schließlich: Wofür nur brauchen wir immer wieder diese Dramen? Sind sie Ausdruck unserer Leidenschaft? Und wenn ja: Ist so gelebte Leidenschaft nicht furchtbar destruktiv?

Ganz grundsätzlich halte ich Leidenschaft für eine durch und durch positive Regung. Sie ist Kraft und Antrieb, lässt uns Dinge ertragen, die unter normalen Umständen nicht auszuhalten sind. Sie raubt uns bisweilen den Verstand, bedeutet vollkommene Hingabe an eine Sache und ermöglicht uns so ganz selbstvergessene Momente.

Aber natürlich hat Leidenschaft auch den Hang zur Übertreibung. Was im Positiven überwältigend schön sein kann, ist im Negativen zuweilen gefährlich. Wenn die Sicherungen durchbrennen, fügen sich leidenschaftlich streitende Partner nicht nur seelische Verletzungen zu. Andererseits ist leidenschaftlicher Streit auch ein Weg, überbordenden Emotionen Ausdruck zu verleihen. Es ist eine Möglichkeit, sich deutlich zu spüren. Oder eine Versöhnung anzubahnen, die die Gewissheit vermittelt, dass man wirklich zusammengehört. Das mag nicht besonders klug sein und schon gar nicht konstruktiv. Aber Dramen sind eben nicht an Lösungen interessiert, sondern an einer Sache, die von allerhöchster Bedeutung ist. Das haben sie mit Leidenschaft gemeinsam. Es geht um etwas, das ganz wichtig ist, dem alles untergeordnet wird. Etwas, das aus der Eintönigkeit reißt und Langeweile verdrängt. Für Drama-Paare ist es die Liebe, um die sie buchstäblich ringen und für die sie Beweise suchen. Anstrengung und Schmerz werden dann nicht nur ertragen, sie gehören quasi als Minimumwert zur Amplitude der Liebe dazu.

So gesehen halte ich leidenschaftliches, dramatisches Streiten zwar für unschön und kräftezehrend, aber nicht zwingend für destruktiv. Das Drama als Ausdruck unserer Leidenschaft gibt uns vielleicht sogar einen Hinweis auf das, was für uns im Leben wirklich zählt. Bevor Sie beim nächsten Drama lösungsorientiert nach dem schnellsten Ausweg suchen fragen Sie sich mal, was Sie eigentlich spüren wollen. Es könnte eine interessante Erfahrung werden.

Was meine Freundin betrifft: Koffer, Kopf und Handy haben den Streit auf wunderbare Weise unbeschadet überstanden. Die Beziehung auch. Die beiden sich versöhnt. Selbstverständlich sehr leidenschaftlich...


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