Von Leidenschaft und Alter

Besser als Botox

Mitte der neunziger Jahre kam ein Film namens „Legenden der Leidenschaft“ mit Brad Pitt in der Hauptrolle in die Kinos. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an genau zwei Dinge: Das Seufzen meiner Freundin beim Anblick von Brad Pitts nacktem Hinterteil. Und den Filmtitel. Das muss nichts mit der Güte des Films zu tun haben. Wahrscheinlicher ist, dass meine Schwäche für intensive Gefühle diese Überschrift in mein Hirn gebrannt hat. Und dass die erzählten Legenden vielleicht damals für mich nicht unbedingt anschlussfähig waren. Beim Nachlesen auf Wikipedia kamen ein paar Erinnerungsbrocken zurück. Es ging um Liebe, Schmerz und Tod. Eigentlich genau mein Ding. Seltsam, dass mich das nicht gepackt hat. Kannte ich damals vielleicht keine Leidenschaft? Ist Leidenschaft möglicherweise eine Frage des Alters? Und: Kann man dafür zu jung sein?

Die spontane Antwort lautet nein. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein:

Gerade Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind es doch, die sich begeisterungsfähig und kämpferisch zeigen. Wer einmal mit trotzigen Kindern zu tun hatte weiß, wie leidenschaftlich diese im wilden Aufbäumen und Verfolgen der eigenen Wünsche sein können. Die Pubertät ist gekennzeichnet von leidenschaftlichen Auseinandersetzungen auf der Suche nach der eigenen Identität. Und leidenschaftliches Schmachten scheint eher jugendliche Veranlagung als Teil des reifen Alters zu sein – siehe meine Freundin und Brad Pitt.

Demgegenüber haben ältere Menschen die Möglichkeit, auf Erfahrungen zurückzugreifen, die sie Ruhe und Gelassenheit wahren lassen, wo Jugendliche noch in Aufruhr geraten.

Trotz solcher Beobachtungen mag ich Leidenschaft nicht für eine Frage des Alters halten. Sondern für eine intensive Emotion, die uns Menschen durch unser ganzes Leben begleitet, sich aber über die Jahre auf unterschiedliche Dinge beziehen und in unterschiedlicher Ausprägung zeigen kann.

Getragen von Sorglosigkeit und Unbedarftheit sind Kinder und junge Menschen vielleicht impulsiver als alte. Wild und ungestüm schlagen die Flammen der jugendlichen Leidenschaft eher in die Höhe. Die junge Leidenschaft sucht, was sie und wie heftig sie verzehren kann, um sich darin selbst zu finden. Als Ausdruck einer Suche mag sie wechselhafter sein, getrieben von Neugier und Entdeckungsgeist sich auf viele unterschiedliche Dinge beziehen, die das Leben zu bieten hat.

Die „reife“ Leidenschaft als volle Hingabe gleicht mehr einem Flammenteppich, der, einmal ausgegossen, sich breitmacht und was nur möglich vereinnahmen will, um sich darin immer wieder zu finden. Ganz nah an vielleicht unbewussten, aber über die Jahre sehr vertrauten Bedürfnissen wird reife Leidenschaft zum hingebungsvollen Wollen und zum Fingerzeig auf das innere Kind, auf die Essenz des Selbst.

Und so kann Leidenschaft dann sogar zur Verjüngungskur werden. Sie bringt zum Lächeln und zum entspannenden Fallenlassen. Sie bringt in Kontakt mit dem alterslosen Ich. Sie glättet zwar keinen Falten im Gesicht, auf etwas Positives gerichtet wohl aber die Falten in der Seele.


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