Liebe Arbeit

Vom Glück den Job zu lieben oder auch nicht

Im vergangenen Jahr habe ich eine fünfmonatige Auszeit vom Job gemacht. Erschöpft von den Anstrengungen der letzten Jahre brauchte ich dringend eine Pause. Aber nicht nur das: Irgendwie hatte ich den Spaß an der Arbeit verloren. Und ich hatte angefangen zu zweifeln. War das, was ich da tat, auch das, was ich wirklich von Herzen wollte? Ich wollte so gerne wieder Glück und Erfüllung bei meinen Aufgaben empfinden. Und meine Vorstellung war, dass, wenn ich meine Arbeit nur genug lieben könnte, mir alles ganz leicht und mit natürlicher Freude von der Hand gehen würde. So ging ich in die Auszeit mit der Frage, ob ich wirklich liebte, was ich tat.

Ich las Ratgeber um Ratgeber und arbeitete gewissenhaft Arbeitshefte für die Selbstentwicklung durch. Antworten fand ich kaum, stattdessen andere Fragen: Muss man seine Arbeit tatsächlich lieben, um glücklich sein zu können? Wenn ja, wie sehr muss man sie lieben? Und: Was heißt lieben in diesem Zusammenhang überhaupt?

Wenn man sich bei Instagram umschaut, ist die Antwort auf die erste Frage klar: Ja, man MUSS seinen Job lieben. Das ist der absolut erstrebenswerte Zustand. Davon jedenfalls erzählen all die Posts, in denen Selbständige – überwiegend Frauen übrigens, die im Coachingbusiness stecken oder die Dienstleistungen rund um den Geschäftsaufbau anbieten - von ihren Arbeitstagen schwärmen, die sie zwischen Morningyoga, veganer Mittagsbowl und dem abendlichen Gläschen Wein mit der besten Freundin im völligen Flow verbringen. Und das nur, weil sie ihr Herzensbusiness gefunden haben. 

Ich gestehe, ich werde noch immer neidisch, wenn ich solche Bilder sehe. Doch mit erholtem Hirn und wachem Herz wird mir klar, dass es bei diesen Geschichten in erster Linie um den Lifestyle geht. Ein Lebensstil, in dem Lebensglück untrennbar verknüpft ist mit dem Beruf. Und in dessen Sogkraft ich erlebt habe, dass die Gleichsetzung von Lebensglück und Liebe zum Job einen Druck erzeugt, der geeignet ist, mich unglücklich zu machen. Doch nicht nur das: Die Vorstellung, dass wir alle einen Job finden können, der vollkommen unserem Ruf entspricht und zugleich ein gutes Einkommen beschert (eines, das mindestens für Morningyoga, vegane Mittagsbowls und das Glas Wein am Abend reicht) ist schlicht unrealistisch und wertet Tätigkeiten ab, die vielleicht unscheinbar, aber nicht weniger wichtig sind.

Also finde ich es völlig in Ordnung, einer Berufstätigkeit nachzugehen, bei der von Liebe erstmal keine Rede ist. Man kann einen Beruf wählen, der gut zu anderen Lebensplänen passt oder eine x-beliebige Tätigkeit ausüben, weil es darum geht, den Lebensunterhalt zu sichern und keine Zeit ist für die lange Suche nach dem erfüllenden Job. Gleichzeitig bestreite ich nicht, dass Arbeit leichter von der Hand geht, wenn man sie gern tut, sie zur Persönlichkeit passt oder man einen Sinn in ihr erkennt. Das allerdings ist für mich etwas anderes, als immer wieder schockverliebt festzustellen, wie toll das eigene Herzensbusiness ist.

Lebensglück hängt von vielen Faktoren ab. In beruflicher Hinsicht stellt es sich z.B. ein, wenn Menschen mit dem, was sie tun, im Reinen sind. Das zeigt sich, wenn man für sich erkennt, dass die verrichtete Arbeit notwendig ist – für das eigene Leben oder auch für andere. Wenn man sieht, dass man alles hat, was man für die Aufgabe braucht. Und wenn man seine Arbeit akzeptieren kann. Gerade dieses Akzeptieren wäre für viele Menschen leichter, wenn der Beruf weniger als Ausdruck einer fortgeschrittenen Selbstentwicklung überhöht würde oder als Statussymbol herhalten müsste, sondern mehr Anerkennung erführe als das, was er immer auch ist: Ein Mittel, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine Tätigkeit, die ich nicht lieben muss, aber durchaus lieben darf. 

Wir müssen unsere Arbeit nicht überschwänglich lieben, um glücklich zu sein. Es kann aber Teil des Lebensglücks sein, seine Arbeit ganz einfach zu lieben. Und einfach zu lieben bedeutet eben nicht, den Job als Edel- Accessoire des perfekten, selbst erfunden Ichs zu nutzen und das eigene Glück in permanenten Gefühlsausbrüchen zu bezeugen. Einfach lieben ist vor allem das stille Anerkennen der gewählten Tätigkeit. Das Wertschätzen dessen, was ist. Einfach zu tun, was dran ist. 

Nach meiner Auszeit bin ich übrigens in meinen Beruf zurückgekehrt. Mit dem Glücksgefühl, dass ich nicht etwas ganz anderes machen muss, um meine Arbeit zu lieben. Wenn überhaupt, muss ich einfach nur etwas ganz anders machen.


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